Ich werde oft gefragt, warum ich ausgerechnet in diesem Bereich (Alzheimer, Demenz, Schlaganfall) musiktherapeutisch tätig bin. Eine mögliche Antwort liefert folgendes Schlüsselerlebnis während meiner Studienzeit.
Ich war als Praktikantin auf einer geriatrischen Station (Baumgartner Höhe) eingeteilt. Jede Woche habe ich mit einer Gruppe alter und zum Teil schwer dementer Menschen gesungen. Ein alter Mann, Herr Fred, hat ununterbrochen geredet, monologisiert. Ich war ziemlich überfordert mit der Situation und habe verschiedene Interventionen ausprobiert: ihn reden lassen, ihn unterbrechen, er redet - wir singen gleichzeitig etc. Dann habe ich gemerkt, dass er einfach möchte, dass ich ihn wahrnehme, den Blickkontakt halte und ihn darin bestärke, mit uns mitzumachen. Als ich nach einer Therapieeinheit allen zum Abschied die Hand reiche, steht Herr Fred plötzlich vor mir und kramt verzweifelt in den Taschen seiner roten Jogginghose. Die Taschen sind leer. Da huscht ein Lächeln über sein Gesicht, er nimmt sein Gebiss heraus und will es mir voller Freude überreichen. Er hat doch noch etwas gefunden, das er mir geben kann. Nach einer kurzen Schrecksekunde meinerseits bedanke ich mich dafür, dass er mir etwas schenken möchte und sage ihm, dass er seine Zähne gleich dringend braucht, weil es Mittagessen gibt.
Ich habe diese Szene nie psychoanalytisch deuten lassen, sie hat mich einfach tief berührt.